Wechsel im Norden

Politikwechsel in Dänemark: Nach einem Jahrzehnt schicken die Dänen ihre bisherige rechtsliberale Regierung in die Opposition. Die siegreiche Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt wird voraussichtlich nächste dänische Regierungschefin. Doch nach dem Sieg des Mitte-Links-Bündnisses bleibt abzuwarten, ob diese Wahl auch eine Abkehr von Rechtspopulismus und EU-Bashing bedeutet.

Die bisherige Minderheitsregierung vom liberalen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen verfügte über keine eigene parlamentarische Mehrheit. Sie ließ sich von der fremdenfeindlichen Dänischen Volkspartei (DVP) tolerieren. Dieser Umstand führte immer wieder zu schmerzlichen Zugeständnissen in der Innen- und Ausländerpolitik. Um seinerzeit eine unpopuläre Rentenreform durchzusetzen, musste Rasmussen den Rechtspopulisten entgegenkommen. Er verstärkte die Grenzkontrollen zur schwedischen und deutschen Grenze, um die „wachsende Kriminalität von EU-Ausländern“ einzudämmen. Eine reine Symbolpolitik, die aber für erhebliche Verstimmungen bei den europäischen Nachbarn sorgte. Denn Grenzkontrollen widersprechen dem Schengener Abkommen – was wiederum die EU auf den Plan rief.

Doch bei diesen symbolischen Maßnahmen blieb es nicht. Die dänische Ausländer- und Zuwanderungspolitik wurden in der letzten Dekade Zug um Zug restriktiver. Die Dänische Volkspartei vertritt dabei eine beinharte Linie. So forderte sie, dass Muslime vor ihrer Einbürgerung Teile des Korans abschwören müssten und warb mit einem grenzwertigen Burka-Plakat. Weitere Forderungen der Islamophoben: Ein Verbot von Satelliten-Schüsseln, damit die Fernsehsender al-Dschasira und al-Arabija nicht mehr in dänischen Wohnzimmern empfangen werden können. Ein völliges Zuzugsverbot für Ehepartner aus Nicht-EU-Ländern unter 24 Jahren wurde auf ihr Bestreben durchgesetzt. Osteuropäer wurden als Lohndrücker und Diebe beschimpft. Ihre Geisteshaltung sieht alles Fremde grundsätzlich als Bedrohung. Die schrillen Töne der Volkspartei vergifteten das gesellschaftliche Klima. Ausländer waren in der politischen Debatte Arme, Kriminelle und Profiteure des Sozialstaats. Trotz vergleichsweise geringer Ausländerquote hat das Land inzwischen das schärfste Ausländerrecht innerhalb der EU, wofür es von internationalen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wurde. Dabei wurden die Hürden für Zuwanderer immer weiter erhöht und die Anforderungen für bereits dort lebende Ausländer verschärft.

Die fremdenfeindliche DVP schaffte es in den letzten Jahren, die gesellschaftliche Debatte zu bestimmen. Sie hat nicht am Regierungstisch gesessen und doch die Politik und das Bild Dänemarks im Ausland entscheidend beeinflusst. Rechtspopulistische Ideen wurden – zumindest teilweise – auch bei Sozialdemokraten und Sozialisten salonfähig. So lässt die designierte sozialdemokratische Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt offen, ob sie die umstrittenen Grenzkontrollen der Vorgängerregierung abschaffen wird. Am Ausländerrecht möchte sie keine großen Änderungen vornehmen. Zumindest zwei kleine mögliche Koalitionspartner, die Sozialliberalen und die rot-grüne „Einheitsliste“, verlangen umfassende Revisionen. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich durchsetzen können. Ansonsten hätte die DVP für einen permanenten Rechtsruck im dänischen Parteiensystem gesorgt.

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